
Sitzung des Kulturausschusses am 5.11.2019
oder Vergangenheitsbewältigung im tiefen Tal der Ignoranz
Wer am 5.11. im Sitzungssaal 1 im Rathaus der Tagung des Kulturausschusses beiwohnen konnte, hatte bei TOP 10 ein Erlebnis der besonderen Art. Es ging um die Anbringung einer Erläuterungstafel am Hellinger-Wiesmann-Denkmal auf dem Speyerer Friedhof.
Als Begründung wurde in der Beschlußvorlage angegeben, daß der Gedenkstein immer wieder die Gemüter von Friedhofsbesuchern errege. Da dies die Stadtverwaltung nun zum Handeln veranlaßt, ist anzunehmen, daß diese Erregungszustände sehr häufig und heftig sein müssen. In welcher Form sie sich bemerkbar machen, welcher Personenkreis besonders betroffen ist und wie oft die von Gemütserregung Beeinträchtigten bei der Stadtverwaltung vorsprechen oder in die Psychiatrie eingeliefert werden, war in der Begründung nicht angegeben. Aus eigener Erfahrung als langjähriger Speyerer Journalist kann ich nur sagen, daß ich noch nie jemandem begegnet bin, der wegen besagten Denkmals an einer besorgniserregender Gemütstrübung gelitten hätte. Im Gegenteil: Die meisten Speyerer wissen garnicht, daß es dieses Denkmal gibt und von einigen Ausnahmen abgesehen, weiß auch niemand um die historischen Hintergründe.
Desweiteren führt die Begründung aus, daß es sich nicht um
ein Grab, sondern nur um einen Gedenkstein handelt. Das ist falsch. Um dies
nachzuprüfen genügt ein Blick in das Friedhofsbuch, wo die Namen der
Verstorbenen aufgeführt sind mit der Bemerkung: „Unter dem Ehrenmal begraben“.
Einträge zu einer Umbettung oder Räumung des Grabes gibt es nicht.
Damit startete die Erörterung schon mit einer völlig verfehlten Grundannahme, denn alle Beschlüsse zur Umgestaltung werden sich auf ein Grab beziehen und nicht, wie die Vorlage fälschlicherweise angibt, auf einen Gedenkstein.
Als Expertin war Frau Pflanz-Sponagel anwesend und wußte zu berichten,
daß die beiden Begrabenen Nazis waren. Franz Hellinger mit Gewißheit, Ferdinand
Wiesmann höchstwahrscheinlich. Daß die NSDAP damals noch eine relativ
unbedeutend kleine Splitterpartei war und niemand, auch nicht die unter dem
Grabmal Ruhenden, vorhersehen konnte , daß diese Partei Deutschland 15 Jahre
später in den Abgrund führen würde, spielt keine Rolle. Mit der Einordnung als
Nazi ist ruckzuck das braune Gütesiegel erteilt und das Urteil der ewigen
Verdammnis gesprochen.
An diesem ebenso schlichten wie
politisch korrekten Standgericht beteiligte sich mit Eifer auch Frau
Sabrina Albers (DIE LINKE).
Sie hatte darüber in Wikipedia gelesen und diesem Eintrag sogar entnehmen können,
wes Geistes Kind Hellinger und Wiesmann gewesen seien. Doch mit dieser Äußerung
sagte Frau Albers den Anwesenden mehr über sich selbst als über die beiden
fluchwürdigen Toten. Denn anhand eines dürren Wiki-Eintrages über die geistigen
Fähigkeiten zweier Menschen zu urteilen, die man noch nie gesehen hat, weil sie
vor 95 Jahren erschossen wurden, ist durchaus eine erstaunliche Leistung. Keine
intellektuelle, sondern hinsichtlich Arroganz und Selbstüberschätzung.
Bei Erörterung der Frage wie mit dem Grabmal weiter zu
verfahren sei, erfuhren wir von Frau Albers, daß sie das Denkmal am liebsten in
die Luft sprengen würde. Diese Ansage, welche mit einem „das geht leider nicht“
relativiert , aber von den meisten wohlwollend goutiert wurde, gewährte einen tiefen
Einblick in ihre Geisteshaltung, eine Mischung aus linksextremistischer Gewaltbereitschaft
und wahnhafter NS-Fixierung. Der Haß gegen Verstorbene, deren mutmaßliche Gesinnung
einem nicht gefällt, mündet in Gewaltphantasien. Ethische Vorbehalte, wie z.B.
pietätvolle Rücksichtnahme auf die Totenruhe oder das Andenken an Verstorbene, sind
ideologisierten Fanatikern fremd.
Vorbei die Zeiten wo das Wort eines Manfred Rommel noch gesellschaftliches
Gewicht hatte, als er bei der Kontroverse um die Bestattung der RAF-Terroristen
sinngemäß sagte, daß für ihn die Feindschaft mit dem Tod ende. Heute ist im
„Kampf gegen Rechts“ alles erlaubt und
jede Denunziation, jede Rücksichts- und Geschmacklosigkeit, jedes noch so
infantile Politgekasper wird als weihevolle Handlung einer wehrhaften Zivilgesellschaft
verbrämt.
Über die historischen Hintergründe des Attentats, die näheren Zeitumstände der französischen Besatzungs- und Separatistenzeit, die verfahrene und hoffnungslose politische Situation in der Pfalz, die Haltung der bayrischen Regierung, war in der Debatte nichts zu hören, wahrscheinlich weil die meisten Anwesenden mangels Sachkenntnis überfordert waren oder nicht wagten zu hinterfragen, nachdem die grobe Marschrichtung der geschichtspolitischen Maßnahme bereits vorgegeben war. Ratsmitglied Schneider, von der gleichnamigen Wählergruppe, wollte in einer erörternden Stellungnahme einige der aufgeworfenen Fragen klären, bekam aber keine Redeerlaubnis, weil er nicht Mitglied des Kulturausschusses ist.
Ein erstaunlicher Vorgang in einer Stadt, die gerade mit Berufung auf das Grundgesetz eine Antidiskriminierungsagenda beschlossen hat und viel auf ihre Offenheit hält. Bei genauerer Betrachtung aber typisch für den herrschenden Zeitgeist. Amtsinhaber mißbrauchen ihre Macht, flankiert von feigen Pseudodemokraten, anstelle eines gleichberechtigten offenen Diskurses tritt eine neue Qualität der Konsensdemokratie, indem anderslautende Meinungen oder unerwünschte Fakten durch Ausgrenzung neutralisiert werden.
Erinnerungen an die Volkskammer der DDR oder Bilder des chinesischen Volkskongresses drängen sich auf.
Im Folgenden dominierte Frau Albers die Erörterung und schlug vor das Grabmal hinter einer Glaswand einzuhausen, versehen mit Namen von Personen die dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zuzuordnen sind. Dieser Gedanke wurde von Oberbürgermeisterin Seiler mit Begeisterung aufgenommen, denn so könne man zeigen, wer sich damals für Demokratie und Menschlichkeit eingesetzt hatte.
Daß es bei den Ereignissen, die zu dem Attentat im Wittelsbacher Hof führten, weder um Demokratie, noch um Menschlichkeit ging, sondern um knallharte Machtpolitik zwischen Deutschland und Frankreich, die beiderseits über Leichen gingen, spielt offensichtlich keine Rolle. Geschichtsvergessenheit und zwanghafte Fokussierung auf die NS-Vergangenheit gehen hier Hand in Hand.
Fazit: Die Anbringung einer Erklärungstafel mit einer völlig verfehlten Kommentierung soll umgesetzt werden. Und zwar schnellstmöglich, denn wichtiger als ein sinnvoller Text ist die Distanzierung; ein rituell unverzichtbarer Vorgang und Teil des quasireligiösen Schuldkultes der BRD. Der angedachte Vorschlag seitens der Vertreterin der SED-Nachfolgepartei, soll konkretisiert und in die nächste Beschlußvorlage aufgenommen werden. Auch er ist völlig verfehlt, denn es handelt sich ebenso um eine rückwärtsgewandte Bewertung aus heutiger Perspektive, ausschließlich im Sinne linksideologischer Vergangenheitsbewältigung. Weder die historischen Zeitumstände, noch die Motive der dort begrabenen Zeitgenossen würden berücksichtigt.
So wird der unbedarfte Betrachter des Hellinger-Wiesmann-Grabmals zukünftig mit einer grotesken Geschichtsverzerrung konfrontiert, welche die Toten pauschal verdammt und keinerlei Verständnis für die Geschichte der Pfalz oder der Stadt Speyer vermittelt.
12.11.2019/Daniel Kemmerich
Quelle: https://speyer24news.com/?p=21937